Friedensgebet – Bericht und Kommentar

Das interreligiöse Friedensgebet auf dem Christuskirchplatz: Ein Kommentar von Melanie Pfankuchen

Jeden 3. Mittwochabend von 18.30 Uhr bis 19 Uhr findet auf dem Christuskirchplatz in Essen-Altendorf ein interreligiöses Friedensgebet statt, das von katholischen und evangelischen Christen, Muslimen sowie Bahai gestaltet wird. Musikalisch begleitet werden sie vom Posaunenchor der Ev. Lutherkirchengemeinde.

Am 15.11. 23 mache ich mich auf dem Weg und sinniere darüber, was mich erwarten könnte. Wie weit gehe ich, als frisch zum protestantischen Glauben konvertiertes Mitglied der Lutherkirchengemeinde, in dem Glauben der anderen Gemeinden mit? Habe ich dazu alle wichtigen, religiösen und weltlichen Informationen? Kann ich alle regionalen und internationalen Strebungen und Strömungen richtig einordnen? Unterscheiden sich die eigentlichen Kernaussagen der Religionen überhaupt immens voneinander? Und geht es nicht in vielen kritischen Fällen hauptsächlich um einen expliziten Blick auf die Ausübung einer jeden Religion? Um eine (drohende) Zweckentfremdung des eigentlichen Glaubens, die eher politische Ziele verfolgt, als für die Menschen da zu sein? Geht es bei menschenverachtenden Handlungen im Namen der Religion nicht oft um Menschen, die ihren Glauben im schlimmsten Fall für Gewalt jeglicher Art bewusst nutzen und zweckentfremden? Wo bleibt der eigentliche Kern des jeweiligen Glaubens, der sich auf Nächstenliebe und Humanität fokussiert? Wann habe ich in den Medien das letzte Mal positive Berichte zur Arbeit von Glaubensgemeinschaften wahrgenommen?

Meine Gedanken werden jäh unterbrochen, als der Posaunenchor der ev. Gemeinde mit seinen tragenden Stücken beginnt. Ich bin mittlerweile in dem kleinen Kreis angekommen und werde lächelnd begrüßt.

Kurz darauf erläutern die drei Glaubensvertreter/innen, warum wir eigentlich hier sind. Auf dem Verstärker nahe des Mikrophons liegen weiße Rosen. Ich bekomme bei den weiteren Erklärungen das Gefühl, dass nicht nur die jüdische Gemeinde in der abendlichen Runde ebenfalls gedanklich anwesend ist.

Endlich tritt er in Erscheinung, der humanitäre Kern. Es geht bedingungslos um alle Menschen und deren Rechte. Deren uneingeschränkt zu erhaltenden Rechte, weil jeder Mensch wertvoll ist. Egal ob dieser Mensch als gläubig, neutraler Atheist oder als größter Religionskritiker lebt. An dem heutigen Tag geht es nicht um die Unterschiede oder mögliche Kritikpunkte, der sich meiner Meinung nach jede Religionsgemeinschaft zu stellen hat. Es geht um ein friedvolles Miteinander und eine Rhetorik, die Menschenleben nicht miteinander aufwiegt. Unabhängig von Herkunft, Sexualität, Sprache, Behinderung, politischen Ansichten, Geschlecht oder Religion (Artikel 3 III GG).

Es folgt eine historische Einordnung der Entwicklung unserer, nach wie vor geltenden Menschenrechte, die zum ersten Mal am 10.12.48 von Eleanor Roosevelt veröffentlicht wurden.

Einige, von den Vereinten Nationen verbindlich unterschriebenen Rechte lauten folgendermaßen:

  • Recht auf Leben
  • Recht auf Freiheit und Sicherheit
  • Verbot von Sklaverei und Folter
  • Gedanken- und Glaubensfreiheit
  • Recht auf freie Meinungsäußerung, Bildung, Arbeit, Gesundheit und Wohlbefinden
  • Weitere, beschriebene Rechte finden sich in der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“, bspw. zur Verfügung gestellt von Amnesty International oder zu finden auf www.ohchr.org (United Nations Human Rights)

Auf der soeben genannten Homepage finden sich die weiteren, rechtsgültig unterschriebenen Rechte.

Es wird deutlich gemacht, dass diese Vereinbarungen gerade in diesen Zeiten leider immer noch überall auf dieser Welt einer Utopie gleichen. Wir müssen uns daran machen, die möglichen kleinen und großen Erfolge im Sinne der Menschenrechte voran zu treiben, damit dieses Ideal nicht in Vergessenheit gerät und uns aktiv leiten kann. Der 10.12. ist noch ein paar Tage hin, es ist jedoch nie zu früh, an ihn zu erinnern.

Weiterhin wird darüber gesprochen, dass auch der Islam in seinen Grundgedanken weder Krieg noch Zerstörung duldet und kein Mensch über den anderen steht. Egal, woher er kommt und wie er aussieht. Es geht um eine Ausrichtung des Glaubens, der jedes Leben als wertvoll erachtet und ebenso eine gleichwertig hohe Wertigkeit von Mann und Frau nicht in Frage stellt. Gerade in der bedingungslosen Hinwendung zu Allah ist es nicht möglich, menschenverachtend zu agieren. Handlungen dieser Art würden dem eigentlichen Glauben widersprechen und sind nicht zu tolerieren. Jeder Mensch ist für seine Handlungen selbst verantwortlich und muss für mögliche Verfehlungen selbst geradestehen. Es wird immer wieder auf den Koran und die Worte Muhammads verwiesen, die in nur eine menschenwürdige Richtung leiten können, da diese Worte durch Allah selbst geformt wurden. Das alltägliche Leben der Gläubigen ist dementsprechend nach dem Schöpfer auszurichten. Ein grober Überblick zum Islam findet sich z. B. unter www.planet-wissen.de/kultur/religion/islam/index.html

Zwischendurch lädt der Posaunenchor immer wieder dazu ein, Gesagtes zu verinnerlichen und nachzudenken.

Der Elisabeth-Tag wird demnächst von den katholischen Gemeinden gefeiert, einige nutzen die laufende Woche bereits dazu, um ihrer zu gedenken. Was sagt uns diese Frau, die bereits am 19.11. 1231 im Alter von nur 24 Jahren starb? Elisabeth von Thüringen führte einige Jahre eine glückliche Ehe im Wohlstand, musste dann jedoch mit dem Tod ihres geliebten Ehemannes alleine weiterleben. Da in dieser Zeit immer ein Mann die Vormundschaft für eine Frau übernehmen musste und ihr Vermögen nicht unerheblich war, kam es zur familiären Trennung. Sie ist bis heute ein Symbol für Wohltätigkeit und Güte, da sie ihren Erbanteil immer wieder für Bedürftige herausgab und deswegen fast auf der Straße landete. Bereits mit ihrem Ehemann gründete sie ein Hospital und verteilte in einer Hungersnot Vorräte. Konrad von Magdeburg, der nun, nach dem Tod ihres Mannes, für sie zuständig war, kontrollierte sie ständig, damit sie ihr Vermögen nicht preisgab. Als Zeichen des friedlichen Widerstandes gibt es heute noch die Legende des Rosenwunders (alles nachzulesen bei www.vivat.de oder www.katholisch.de). Zu guter Letzt gründete sie ein weiteres Hospital und lebte unter sehr harten Bedingungen im Dienste der kranken und geschwächten Menschen. Dieses Symbol für caritative, wohltätige Angebote wird heute mehr denn je benötigt. Es geht heutzutage leider nicht mehr ohne diese, obwohl so viel Zeit verstrichen ist. Gerade die Verfügbarkeit von Nahrung, Sicherheit und die Ausübung einer Arbeit, die fair und ausreichend entlohnt wird, gehören ebenfalls zu grundlegenden Menschenrechten. Auch diese können nicht überall erfüllt werden.

Von der evangelischen Seite wird beschrieben, dass es grundsätzlich keine rechtsverbindlich unterschriebene Formulierung der Menschenrechte in der Bibel gibt. Nichtsdestotrotz lassen sich erste Umschreibungen für ein menschenwürdiges Miteinander im Evangelium nach Matthäus finden (MT 5,4). Insbesondere die Seligsprechungen geben der Predigt seine große Bedeutung. Denn obgleich es für Jesus einfach gewesen wäre, die Reichen, Gesunden, Starken und Mächtigen selig zu sprechen, tat er genau das Gegenteil. Doch was können wir heute unter dem Wort selig überhaupt verstehen? Wann benutzen wir dieses Wort überhaupt noch? Vermutlich würden wir es heute intuitiv mit glücklich übersetzen. Zum Teil stimmt es, wenn wir nicht das kurzzeitige Glück meinen, das schnell wieder verschwinden kann. Nein, gemeint war die Sinnhaftigkeit und Erfüllung im Leben der Jünger und des ganzen Volkes, das ihm zuhörte. Er sprach vor allem die schwachen Menschen, die mit dünner Haut und einem Streben, einer Sehnsucht im Herzen nach Frieden, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit selig (www.die-bibel.de/bibeltext/Matthaeus%205%2C4/ ).

Wo stehen wir selbst? Wonach streben wir?

Ich erfahre, dass an dem heutigen Abend die Mitwirkenden der Bahai Gemeinde leider verhindert sind. Doch wofür steht diese jüngste Weltreligion eigentlich? Ein zentrales Thema des Bahá’í-Glaubens ist die Einheit der Menschheit als Grundlage für das künftige Wohlergehen aller Völker und dauerhaften Frieden in der Welt. Um dieses Ziel zu erreichen, hat Bahá’u’lláh, der Stifter der Bahá’í-Religion, bereits ab Mitte des 19. Jahrhunderts zahlreiche Prinzipien definiert, z. B. die Beseitigung von Vorurteilen jeder Art, die Gleichwertigkeit der Geschlechter, das Recht auf Erziehung und Bildung sowie die Beseitigung von Armut. Der Einsatz für Menschenrechte ist elementarer Bestandteil des Glaubens. Die deutsche Bahai Gemeinde engagiert sich aktiv in folgenden Institutionen: Sie ist Mitglied im Trägerverein des Deutschen Instituts für Menschenrechte, im Forum Menschenrechte und im Deutschen Menschenrechtsfilmpreis. Sie ist Gründungsmitglied der Stiftung gegen Rassismus. Darüber hinaus engagieren sich Bahá’i auf lokaler Ebene aktiv für eine positive Entwicklung der Gesellschaft, sie organisieren u. a. Kinderklassen, Jugendgruppen oder Nachbarschaftsprojekte zur Verbesserung eines Wohnumfeldes. Seit 1905 verbreitete sich die Bahá’í-Religion in ganz Deutschland; es gibt unterschiedlich große Gemeinden, in Metropolen wie Berlin oder Hamburg sogar mehrere Gemeinden, organisiert nach Stadtbezirken. Die Essener Gemeinde wurde Anfang der 1960er Jahre gegründet, das Gemeindezentrum befindet sich seit 40 Jahren im III. Hagen. Spirituelles Zentrum der Bahá‘í auf europäischer Ebene ist das „Haus der Andacht“ in der Nähe Frankfurts, ein Ort der Hinwendung zu Gott, des Gebets und der Meditation. Die Architektur, ein lichtdurchfluteter runder Kuppelbau mit neun Eingängen, symbolisiert die Einheit der Religionen und lädt Menschen aller Weltanschauung ein zum Gebet. Weitere Informationen sind zu finden unter: www.bahai.de/woran-bahai-glauben/ und //essen.bahai.de

Zum Schluss beten wir gemeinsam das „Gebet für den Frieden: Schalom-Salam“ von Sabine Müller-Langsdorf und singen danach gemeinsam „Schalom Chaverim – Der Friede des Herrn geleite Euch“.

Vielleicht sind es solche Momente, die im Kleinen deutlich machen, dass Religion etwas sehr Heilsames und Verbindendes, aber auch Mahnendes sein kann und von einem Miteinander getragen wird. Wie dieses Miteinander regional und im Hier und Jetzt aussieht, haben wir als Gemeinde, ebenso wie als Privatpersonen, ein großes Stück selbst in der Hand. Vielleicht sollte ich meinen Blick, wie vermutlich einige andere Menschen auch, zuerst nach Gemeinsamkeiten ausrichten. Denn nur so ist dann ein authentischer, interreligiöser Dialog möglich.

Bernd Nerzak, Michaela Langenheim, Meral Ulusoy

Geschrieben von Melanie Pfankuchen in Kooperation mit den Beteiligten

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